Sie morden, erpressen oder üben psychische Gewalt aus – und trotzdem finden wir Bösewichte sympathisch. Filme und Serien schaffen es, dass wir Menschen, die wir im echten Leben abscheulich finden würden, plötzlich wohlwollend gegenüberstehen. Wie kommt es dazu?

Gut gegen Böse – auf diesem Konzept basieren viele Filme und Serien. Die Guten werden von den Zuschauenden bejubelt und angefeuert, die Bösen gefürchtet und ausgebuht. Doch diese simple Rechnung geht nicht immer auf. Denn manchmal sind die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht ganz so klar. Einige Bösewichte sind einfach viel zu sympathisch, um sie zu hassen.

Die US-Serie «The Blacklist» ist ein Paradebeispiel für diese Dynamiken: Raymond Reddington ist einer der meist gesuchten Verbrecher des Landes. Er begeht laufend Gräueltaten und ist brutal, egoistisch und rücksichtslos. Und trotzdem wirkt er unheimlich sympathisch.

Wer könnte diesem Charme schon widerstehen?

Raymond Reddington ist viel mehr als nur ein Übeltäter: Er ist witzig, unheimlich charmant, klug und manchmal durchaus liebevoll. Auf diese Weise wickelt er sowohl die Zuschauenden als auch die Mitglieder der zuständigen FBI Task Force leicht um den Finger. In «The Blacklist» verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse: Reddington, der Bösewicht, wirkt ausserordentlich sympathisch und menschlich, während die FBI-Agents immer mehr Dinge tun, die sich eigentlich nicht gehören.

Warum identifizieren wir uns mit den Bösewichten?

Man hört es immer wieder: Entführungsopfer berichten nach ihrer Befreiung nicht nur von Erniedrigung und Todesangst, sondern attestieren den Tätern auch positive Züge. «Stockholm Syndrom» nennt sich dieses Phänomen. Die Serie «Haus des Geldes» greift dies gezielt auf: Viele Geiseln kooperieren freiwillig mit dem Professor und seinem Team, eine davon verliebt sich sogar in ihren Geiselnehmer und wechselt die Seite. Auch die Inspectora kann dem Charme des Professors nicht widerstehen und gibt ihre Karriere und ihr sicheres Leben auf, um sich den Verbrechern anzuschliessen.

Er ist brillant, schüchtern und wirkt irgendwie einfach sympathisch: Wir können die Faszination, die die Inspectora für den Professor hegt, durchaus verstehen. 

Doch was zieht uns als Zuschauende in den Bann der vermeintlichen Bösewichte? Forschende der Northwestern University in den USA haben genau dies untersucht. Das Ergebnis ihrer Studie: Je ähnlicher die Bösewichte uns selbst sind, desto mehr fühlen wir uns zu ihnen hingezogen. In anderen Worten: Wir fühlen uns hingezogen zu böseren Versionen unseres Ichs.

Im realen Leben vergleichen wir uns nicht gerne mit «bösen» Anderen. Wer gibt schon zu, dass er gewisse Charakterzüge mit einem Mörder oder Stalker teilt? Da dies unserem Selbstbild enorm schaden würde, unterlassen wir es lieber. Doch bei Film- und Serienfiguren ist das anders: Es gibt sie nicht wirklich, deshalb stellen sie auch keine besondere Bedrohung dar. Durch den Vergleich mit ihnen können wir auf legitime Art und Weise unsere eigene dunkle Seite erforschen.

Das Böse kann auch gut sein

Die meisten Bösewichte sind eben nicht nur böse. Sie sind viel mehr als das. Wie alle anderen Menschen haben sie auch viele gute Eigenschaften. Joe Goldberg in der Serie «You – Du wirst mich lieben» ist eben nicht nur der verrückte, gewalttätige Stalker. Er ist auch der besorgte Nachbar, der sich liebevoll um den verängstigten Jungen aus der Wohnung nebenan kümmert. Er ist auch der kleine Junge, der in seiner Kindheit selbst Gewalt erfahren hat und mit dieser traumatischen Erfahrung nicht klarkommt.

Dies zeigt, dass es keine glasklare Grenze zwischen Gut und Böse gibt. Sondern dass das Böse durchaus auch gute Eigenschaften haben kann. Und umgekehrt eben, dass auch gute Menschen böse Dinge tun. So ist die menschliche Natur.

Wer ist dein Lieblings-Bösewicht? Sag es uns in den Kommentaren!

Manuela

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert