Früher sah ich es als meine Pflicht, nicht nur den Freunden, sondern auch Gotti und Götti, ja sogar den Nachbarn, eine Postkarte aus den Ferien zu schreiben. Heutzutage benutze ich die allerseits bekannte App oder schreibe ein paar auserwählten Leuten eine Karte. Klar, ich schreibe gerne, aber manchmal brauche ich eben eine Pause . Und dann gibt es andere, die lieben es, Postkarten zu schreiben. So wie Sabine Rieker. Die Deutsche Werbetexterin hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Ihr Büro ist ein Café in Stuttgart. Oder in München. Oder in Zürich. Halt dort, wo sie sich gerade aufhält. Sabine Rieker sitzt dann barfüssig – dazu später – am Tisch und schreibt und schreibt und schreibt. Sie betrachtet sich sogar als Schriftstellerin. Wenn das jemand anders sieht? Ihr egal.

 Auch in die Schweiz gehen die Postkarten.
Auch in die Schweiz gehen die Postkarten.

Aber wie läuft das genau? Sabine Rieker schreibt hauptberuflich Postkarten? Genau! Und wer sind ihre Auftraggeber? «Wenn man nicht zu Hause im stillen Kämmerchen schreibt, kann es passieren, dass Gäste von Cafés oder die Besitzer einen darauf ansprechen und mich bitten eine Postkarte für Familie, Freunde oder Bekannte zu schreiben. Es kommt selten vor, dass jemand eine konkrete Vorgabe macht, so schreibe ich von Herzen das, was mir im Moment einfällt», sagt Sabine im Interview mit «Edit»-Magazin. Es gibt viele Leute, die schon mit ihr reden und von ihrer Begeisterung hören wollten.

Natürlich freuen sich auch die Empfänger der Postkarten. Ihre Familie konnte zu Beginn mit dem Beruf nicht so viel anfangen. «Da kamen dann ablehnende Worte oder auch irgendwie eine ablehnende Karte von meiner Mutter. Andere Kommentare waren wiederum so bestärkend, dass ich dachte: Also gut, von einer Person muss ich mir jetzt keine Panik einreden lassen.»

Ein Mann stellte ihr Leben auf den Kopf

Bevor Sabine mit dem Schreiben loslegte, studierte sie Germanistik und Kunstgeschichte. Neben dem Studium arbeitete sie bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Bonn. Und als Hobby: Segeln. Dort traf Sabine einen Mann, der ihr Leben auf den Kopf stellte. Aber nicht so, wie du jetzt denkst. Nein. Er meinte nur: «Das passt doch nicht zusammen, deine Leidenschaft fürs Schreiben und jetzt bist du bei den Physikern.» Der hatte gesessen. Also beschloss die Studentin, sich auf nach Hamburg zu machen, um dort die Texterschmiede zu absolvieren. Das Konzept: Tagsüber arbeitest du für je sechs Monate in einer Werbeagentur und abends gibts Theorieunterricht. Aber irgendwie war das nichts für Sabine. «Ich habe gemerkt, dass ich total verkopft bin, dass ich stundenlang recherchiere und dann doch keinen Satz zusammenbekomme.» Sie entschied sich, einfach ein Praktikum zu machen. Das gefiel. 

Wieder zurück in Bonn arbeitete Sabine zwei weitere Jahre bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Aber was wollte sie eigentlich? Was sie wusste: «Ich habe immer schon gerne Postkarten geschrieben.» Um mehr Struktur in ihren Alltag zu bekommen, ging sie morgens regelmässig ins Café, um zu schreiben. «Da ist es mehr und mehr Menschen aufgefallen und ich erhielt meine ersten Aufträge als Postkartenschreiberin. Es war verrückt», erinnert sich Sabine. Seither ist sie glücklich. Einen Job als Werbetexterin kommt für die Deutsche Schreiberin nicht in Frage: «Das Schreiben mit der Hand entspricht mehr meinem natürlichen Tempo. Früher hat mir so ein weisses Blatt Papier Angst gemacht. Ich glaube, so bin ich bei der Postkarte gelandet, weil das übersichtlich ist. Aber für meinen lang ersehnten Buchwunsch war es klar, dass ich die Langform brauche und es geht mittlerweile. Ich habe die Angst davor überwunden.»

Ach, da wäre ja noch was: Warum läuft und sitzt Sabine eigentlich barfuss herum? «Das ist schon ein grosser Ausdruck von Freiheit für mich. Im Winter probiere ich es solange, wie es sich okay anfühlt.»

Das ganze Interview: http://www.edit-magazin.de/von-beruf-postkartenschreiberin.html