Marco Grob hatte sie alle vor der Linse: Leonardo DiCaprio, Julianne Moore oder Chuck Berry. Die Liste ist endlos. Seine Handschrift ist unverkennbar, seine Lebenshaltung eindeutig. Der New Yorker aus Olten ist nicht einfach der Fotograf der Prominenten für Zeitschriften wie «Time» oder «New York Magazine». Er engagiert sich auch für humanitäre Projekte. Wenn Marco Grob an einem Kriegsschauplatz sein Leben riskiert, weiss er warum: Für die Menschen in Not.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, sagt man. Was macht ein gutes Bild aus?
Das ist schwierig zu sagen. Ein gutes Bild bewegt. Es ruft etwas ab. Das ist sehr individuell. Es gibt aber auch ein paar objektive Gesichtspunkte dahinter. Es muss einen Moment darstellen. Je kraftvoller, desto besser.

Welches sind die Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
Es sind Hunderte. Es gibt Situationen, in denen du merkst, dass du in einer Geschichte drin bist, die grösser ist als du selbst. Ich war in Somalia, in Mali – an Orten, an denen die Lage extrem angespannt ist.

Warum braucht es Fotografen, die im Krieg ihr Leben riskieren?
Weil sonst niemand mitbekommen würde, was dort passiert. Du kannst das Leben für viel Dümmeres riskieren, als zu erzählen, was auf der Welt los ist.

Was darf man, was soll man zeigen?
Man soll alles zeigen. Wenn es die Leute nicht ansehen können, ist es ihr Problem. Nicht das von denen, die dokumentieren. Für die Menschen in den Kriegsgebieten ist es extrem wichtig, dass jemand hinschaut.

Wie gefährlich ist es, Kriegsschauplätze zu dokumentieren? 
Einmal im Jahr treffe ich mich in Upstate New York mit Kollegen. Für jeden Fotografen, den wir das Jahr hindurch verloren haben, lassen wir einen Ballon steigen. Wir lassen jedes Mal viele steigen. Ich habe einige Freunde verloren in den vergangenen zehn Jahren.

 Bill Murray. Fotografiert im Museum of Modern Art New York mit dem Original des «Nachthimmel» von Vincent van Gogh. (Credit: Marco Grob)
Bill Murray. Fotografiert im Museum of Modern Art New York mit dem Original des «Nachthimmel» von Vincent van Gogh. (Credit: Marco Grob)

Hillary Clinton / Donald Trump (Credit: Marco Grob)

Sie sind in Olten geboren und leben heute in New York. Wie viel Mut hat es damals gebraucht, in die unbekannte Welt aufzubrechen?
Meinen ganzen Mut. Meistens bereut man nicht das, was man getan, sondern das, was man gelassen hat. Angst zu haben ist normal. Mut ist, wenn man es trotzdem macht. Ich glaube aber, Lebensmut und Lebensglück liegen unglaublich eng zusammen.

Was muss man für ein Mensch sein, dass man es macht?
Einer, dem bewusst ist, dass wir nicht ewig leben. Dass die Zeit, die wir haben, rar und besonders ist. Wenn du sie mit möglichst viel Leben füllen möchtest, setzt das automatisch etwas in Bewegung. Als 20-Jähriger war ich nicht halb so mutig wie heute. Das hat mich davon abgehalten, Dinge zu machen, die ich schon viel früher hätte angehen sollen.

Was hat Sie denn gehindert?
Ich bin nicht gerade in einem mutigen Umfeld aufgewachsen. Die Eltern, die Freunde, die Erziehung – das basierte alles auf Risikoprävention. Aber welches Risiko denn bitte? Die Schweiz ist toll. Wenn du die Möglichkeiten ausschöpfen würdest, könntest du unglaubliche Dinge tun. Und wenn das Schlechte eh passieren kann, kannst du auch ein bisschen mehr Gas geben. Vor allem bei diesem guten Gefüge, das ich übrigens sehr schätze. In den USA reisst das Kabel schnell mal ab.

An 280 Tagen pro Jahr sind Sie unterwegs. Woher nehmen Sie die Energie?
Es gibt mir Energie. Ich kann mir nicht vorstellen, was mich müder machen würde, als den ganzen Tag im Büro zu sitzen. Im Moment, in dem ich im Auto bin und sich die Räder anfangen zu drehen, weiss ich: Jetzt bewegt sich mein Leben für die nächsten Wochen konstant. Es wird nie stillstehen. Das gefällt mir. Es ist viel zu lange stillgestanden vorher. Jetzt bin ich auf der Aufholjagd gegen mich selbst.

Was hat Sie so erfolgreich gemacht?
Erfolg kommt mit dem Bekenntnis zu dem, was du machst und die Konzentration darauf. Nur so ergibt sich die ultimative Handschrift. Und ohne Handschrift hast du in unserem Beruf keine Chance auf Erfolg.

Ist denn professionelle Pressefotografie im Zeitalter von Social Media, in einer Welt der verwackelten Amateuraufnahmen, überhaupt noch gefragt?
Mehr denn je. Weil es so viel Schrott da draussen gibt. Der Regisseur David Lynch hat einmal gesagt: «Wie viele weisse Papiere und Kugelschreiber gibt es und wie viele gute Stories?» Wenn du als Fotograf deine Arbeit nicht so machst, dass du herausstichst, lernst du lieber Gitarre spielen oder so.

Selfies sind ein Trend. Wie gerne sehen Sie sich selbst auf Bildern?
Ich hasse es. Jeder, der sich gerne selbst fotografiert, braucht einen Psychiater. Ich finde es komisch, dass das gesellschaftlich akzeptabel ist. Mir ist das völlig fremd.

Madonna / Steve Jobs (Credit: Marco Grob)

Kann jeder fotografieren lernen oder ist es vor allem Talent?
Fotografieren ist wie Gitarre spielen: Ich kann dir drei Griffe zeigen und du kannst diese in einem Tag. Am Ende des Spektrums stehen einfach Jimmy Hendrix und Co. Alles, was wir auf dieser Welt machen, ist mit Talent verbunden.

Was bedeutet Ihnen die Fotografie?
Alles. Sie ist die grösste Chance, die ich im Leben bekommen habe. Es ist eine Liebesbeziehung. Die Fotografie hat aber viele Lovers. Wenn du alles gibst, bekommst du vielleicht nur ein Zwinkern. Aber dieses Zwinkern ist immer noch besser als was ich mir je hätte vorstellen können.

Was fasziniert Sie daran?
Die Fotografie verlangsamt die Zeit auf einen Punkt herunter. Wenn du eine Aufnahme machst, ist das Bild in 20 Jahren ein Zeitdokument.

Wie fühlt es sich an, Werke für die Ewigkeit zu schaffen?
Ich weiss nicht, ob irgendetwas für ewig ist. Das überlege ich mir auch gar nicht. Mir ist wichtiger, dass meine Arbeit ein Teil vom Jetzt ist. Sei es das Porträt einer Popikone oder eine Situation. Für mich ist wichtig, dass die Bilder helfen, eine Story zu erkennen. Irgendwann schauen es sich die Leute an und fragen: Was, der mal Präsident?

Apropos: Donald Trump hatten Sie ja auch schon vor der Linse. Wie ist er so?
Sie wissen genau gleich viel über ihn als ich. Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Für mich ist er der vulgärste Mann, den ich je getroffen habe.

Sie bekommen bestimmt viele Anfragen. Für wen würden Sie nie arbeiten?
Für eine Rüstungsfirma oder für politische Parteien. Ich habe klare Grenzen.

Und welcher Job wäre die Erfüllung eines Traums?
Ich war noch nie bei der Queen im Buckingham Palace. Das ist ein extremes Versäumnis. Eines meiner persönlichen Highlights in meiner Karriere war, als ich alleine im Apollo-Kontrollraum in Houston sitzen durfte. Ich mag Orte, an die man schwer hinkommt. Der Papst steht auch noch auf meiner Liste.

 Hugh Grant (Credit: Marco Grob)
Hugh Grant (Credit: Marco Grob)
 Kevin Spacey. Fotografiert am Set von «House of Cards» in Baltimore. (Credit: Marco Grob)
Kevin Spacey. Fotografiert am Set von «House of Cards» in Baltimore. (Credit: Marco Grob)