Mit dem Erlös aus seiner Platte «The River» leistete sich Bruce Springsteen 1980 einen Konzertflügel und einen Sportwagen. 36 Jahre später feiert der Rockstar sein erstes Nummer-eins-Album mit einer Welttournee. Trotz 130 Millionen verkaufter Tonträger und 13 Grammys ist der amerikanische Arbeitersohn aus New Jersey ein Gutmensch geblieben.

Adele ist sein grösster Fan. Erst kürzlich sorgte Bruce Springsteen bei der britischen Sängerin für ein grosses Hallo. Weil «The Boss» verhindern wollte, dass sie an seinem Konzert in Lissabon frieren musste, lieh er ihr den Mantel. Seit bald 50 Jahren lebt der Musiker den Traum vom Rockstar.

Das jüngste Beispiel zeigt: Der Arbeitersohn aus New Jersey, der als kleiner Junge die strahlenden Lichter von New York nur von weitem bestaunen durfte, ist menschlich geblieben. Wenn Bruce Springsteen am 31. Juli im Zürcher Letzigrund sein erstes Nummer-eins-Album «The River» zelebriert, spielt er mit seiner E Street Band nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für seine Fans. Mindestens 33 Songs stehen auf der Setlist. Wie es sich für den Altmeister gehört, wird er alle grossen Nummern aus seiner eigenen Rockgeschichte präsentieren: «Born In The USA», «The Rising», «Streets Of Philadelphia», «Born To Run», «Hungry Heart» – und wie sie alle heissen.

In den 60er- und 70er-Jahren waren Elvis Presley, Chuck Berry oder Buddy Holly die Helden von Bruce Springsteen. Die ersten Platten waren deshalb geprägt von Rock ’n’ Roll, Folk und Blues. Für seinen Erfolg arbeitete der junge Musiker hart. Die ganze Nacht feilte er an seinen Songs, ging jeweils um acht Uhr morgens zu Bett und machte sich um 16 Uhr wieder mit Notizblock und Gitarre ans Werk. «Mindestens einen Winter lang litt ich unter ernsthaftem Lichtmangel», erinnert er sich später.

Bruce Springsteen hasste Stadionkonzerte

Einem normalen Job ging der Rocker nur kurz nach – als Gärtner. «Plötzlich ist mehr Geld da, als wir ausgeben können», liess er 1978 verlauten. Drei Jahre zuvor hatte er mit der Platte «Born To Run» den Durchbruch geschafft. 1980 kletterte das Album «The River» auf Platz eins, und in den darauffolgenden Jahren legte Bruce Springsteen Hymnen wie «Born In The USA», «Dancing In The Dark» oder «Glory Days» vor. Das war Stadionrock pur und passte einerseits zum damaligen Zeitgeist, andererseits war er in dieser Dekade auch auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen.

Inzwischen strömten die Fans zu Zehntausenden an die Konzerte. Geplant war das nicht. Noch vor zehn Jahren hatte Springsteen in einem Interview erklärt, dass ihn grosse Stadien «krank» machen würden. «Wir werden nie Konzerte mit über 3000 Zuschauern spielen», sagte er mit Bestimmtheit. Nicht nur diese Meinung revidierte die Musiklegende später. Während seiner Karriere entwickelte sich Bruce Springsteen vom jugendlichen Rebellen zum intellektuellen Angepassten.

Ein Mann im Wandel

Das Leben in Long Branch, New Jersey, nahm der junge Musiker als Sackgasse wahr. Springsteen war ein Arbeiterkind mit mangelnder Perspektive. «Ich war
ein Träumer, einer der Freaks der Stadt.» Die Schule war nicht sein Ding. Noch heute erinnert er sich daran, wie eine Lehrerin einmal seinen Kopf in den Papierkorb drückte und ihn mit den Worten «Da gehörst du hin» zurückliess. Auch sein Vater akzeptierte den Rebellen nicht. Die Mutter hingegen meinte es gut mit ihrem Jungen. Als Bruce 13 war, schenkte sie ihm eine Gitarre und wies damit den Weg aus der Misere. Später verarbeitete Springsteen die schwierige Jugend in seinen Songs, indem er immer wieder in die Rolle des amerikanischen Spiessbürgers mit seinen alltäglichen Sorgen und Nöten schlüpfte. Seine Heimat bezeichnete er als armselig und trostlos. Zeilen wie «Baby, we were born to run» sprechen Bände.

Und heute? Nach Jahren des Rock ’n’ Roll-Lebens fand Bruce wieder zu seinen Wurzeln zurück. Dem schicken Beverly Hills kehrte der Rockstar den Rücken. Jetzt lebt er in der Nähe von Freehold, nur eine halbe Stunde von seiner Heimatstadt entfernt, und schwärmt: «God bless the Garden State. Ein toller Ort, um zu leben.» Auch in punkto Familienleben hat die Musiklegende seine Meinung geändert. «Ich könnte keine Kinder aufziehen. Das würde ich nie schaffen. Es ist einfach zu heavy», sagte er noch Mitte 20. Inzwischen hat der 66-Jährige zwei Söhne und eine Tochter.

Kampf für die Gerechtigkeit

Nach 13 Grammys und der letzten grossen Popballade «Streets of Philadelphia» in den 90ern fand Bruce Springsteen auch musikalisch wieder zurück zu seinen Anfängen. Spätestens mit dem Album «The Rising» 2003 – dem ersten in 18 Jahren mit der E Street Band – war der Rocker wieder dort angelangt, wo er herkommt: beim Folk und beim Blues. Inhaltlich reflektiert das Album seine Eindrücke zu den Terroranschlägen am 11. September 2001. Als Working Class Hero mit einem zwiespältigen Verhältnis zu seiner Herkunft ist Springsteen seither auch vermehrt politisch aktiv und kämpft für die Gerechtigkeit.

2008 machte er sich mit den Worten «Ich will mein Land zurück. Ich will meinen Traum zurück. Ich will mein Amerika zurück» für die Wahl von Barack Obama stark. Vor vier Jahren schrieb er für die Opfer des Hurrikans Katrina den Song «My City of Ruins». Im vergangenen April sagte der Musiker kurzfristig ein Konzert in North Carolina ab, um gegen ein diskriminierendes Gesetz zur Toilettenbenutzung durch Transgender zu protestieren.

Bruce Springsteen ist ein Gutmensch. Das zeigt eine weitere Anekdote aus einem halben Jahrhundert Rockgeschichte: Einmal schrieb er einem Neunjährigen eine Entschuldigung für die Schule, weil der Kleine Angst hatte, er würde am Morgen nach dem Springsteen-Konzert verschlafen. Der kalifornische Fan wusste: «The Boss» ist dafür bekannt, dass seine Shows mehrere Stunden dauern. Bei solchen Geschichten verzeiht man dem ehemaligen Rebellen seine etwas angepasste Art. Und um es mit den Worten des Rockaltmeisters zu sagen: «Es ist keine Sünde, froh zu sein, dass man am Leben ist.»

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